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Ausgabe:

April/1997

Spalte:

378–381

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Moltmann-Wendel, Elisabeth [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Weiblichkeit des Heiligen Geistes. Studien zur Feministischen Theologie.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1995. 191 S. m. Abb. 8°. Kart. DM 68,­. ISBN 3-579-00096-9.

Rezensent:

Notger Slenczka

"Zum ersten Mal liegt damit eine monographieähnliche Darstellung der Weiblichkeit des Geistes vor, sieht man von einer Studie Selma Kirschs über den ’Muttergeist’ ab" (E. Moltmann-Wendel, Einleitung 9).

Die Beiträge von Theologinnen aus ganz unterschiedlichen Kontexten zur ’Weiblichkeit des Geistes’ sollen nach dem Willen der Hgn. E. Moltmann-Wendel offenbar nicht nur das Bild einer Vielfalt von Positionen widerspiegeln, sondern den Eindruck eines kohärenten Konzeptes einer Pneumatologie in feministischer Perspektive vermitteln.

Dieser Vorgabe entspricht die Anordnung der Beiträge, die sich ungefähr am traditionellen Fächerkanon der Theologie orientiert: Unter I. (,Ursprünge’) findet die Leserin je einen Aufsatz zum Alten und Neuen Testament (H. Schlüngel-Straumann, Zur Dynamik der biblischen rûah-Vorstellung; Chr. Gerber, ’Das Pneuma weht, wo es will’. Neutestamentliche Hilfen zum Wiederfinden der Freiheit des Pneuma); unter II. (,Geschichte’) bieten J. Taege-Bizer (Der Heilige Geist in Gestalt einer Frau ­ eine Zukunftshoffnung?) und V. Wodtke-Werner (Heiliger Geist oder Heilige Geistin im Trinitätsfresco von Urschalling?) Schlaglichter auf vergessene Konzeptionen einer (möglichen) Weiblichkeit des Geistes aus der Kirchengeschichte; L. Scherzberg (Was nützt die Rede vom Heiligen Geist der Feministischen Theologie?) und M. Grey (Wohin fliegt die Wildgans? Auf der Suche nach einer neuen Feministischen Theologie des Heiligen Geistes) repräsentieren unter dem Titel ’III. Reflexionen’ die Systematische Theologie, während der letzte Abschnitt (,IV. Aufbrüche’) neben einer neuen deutschen Übersetzung des Vortrages von Chung Hyun Kyung auf der ÖRK-Vollversammlung in Canberra1991 (’Komm Heiliger Geist ­ erneuere die ganze Schöpfung’) und einem darauf bezogenen Kommentar von J. Linz und U. Urban einen Beitrag aus dem Bereich der kirchlichen Praxis bietet: E. Godel berichtet von den Reaktionen auf die von ihr als Pastorin öffentlich vorgetragene Deutung des Heiligen Geistes als weiblicher Gestalt (Wenn die Geistin Gast in Mutter Kirche ist); außerdem vertritt L. Athyal in diesem Abschnitt (warum nicht unter III.?) die These, daß es eine ’Verwandtschaft’ (165) zwischen der Beziehung des Geistes und der Frau zum ’Leben’ gebe (Frauen und die Lehre vom Heiligen Geist).

2. Die Beiträge können nicht ausführlich dargestellt und diskutiert werden; die eigentliche Frage muß vielmehr darin bestehen, welches Bild einer feministisch-theologischen Pneumatologie sich ergibt, und ob ein einheitliches, spezifisch feministisches Konzept wenigstens in Umrissen erkennbar wird.

Die exegetischen Untersuchungen machen sich die Suche nach weiblichen Bildern für den Heiligen Geist zur Aufgabe. Der alttestamentliche Beitrag zielt dabei darauf, den tieferen Sinn des grammatisch femininen Genus des Begriffes für Geist im Alten Testament ausfindig zu machen und kommt zu dem Ergebnis, daß der Geistbegriff immer dann grammatisch maskulin konstruiert ist, wenn ein gewalttätiges Wirken beschrieben wird. "Überall dort aber, wo der Zusammenhang mit schöpferischem, lebensschaffendem und belebendem Handeln deutlich wird, ist rûah ausnahmslos weiblich... Der weiblich geprägte, lebensfreundliche und lebensbejahende Aspekt von rûah ist somit überaus offenkundig" (32).

Der neutestamentliche Beitrag bietet neben einem ganz traditionellen Überblick über die Zusammenhänge der Rede vom Geist im Neuen Testament den Versuch, ’mütterliche’ Bilder für den Geist und sein Wirken zu identifizieren, darunter insbesondere das ’Lebenschaffen’ und in Röm 8 die Wehen sowie in Joh 3 das Gebären (48. 49-51).

Die kirchengeschichtliche Untersuchung zum Selbstverständnis der Vilemina von Mailand als Inkarnation des Heiligen Geistes scheint mir ­ zugegeben: auf diesem Gebiet blutiger Laie ­ eine zu umfängliche Theorie auf einer äußerst schmalen und zweifelhaften (vgl. 58!) Textbasis aufzubauen (vgl. bes. 59 f.; 66-75), wobei häufig eine Hypothese wieder weitere Hypothesen stützen muß (vgl. nur 66!).

Die von Wodtke-Werner vorgetragene Interpretation eines Fresco in St. Jakobus in Urschalling ­ das eine Trinitätsdarstellung in Gestalt zweier bärtiger Figuren eindeutig unterschiedlichen Alters und einer zwischen beiden befindlichen dritten, bartlosen und nach Ansicht der Vf.n feminin wirkenden Figur bietet ­ als Darstellung des Geistes in weiblicher Gestalt wird mit einiger Sicherheit in das Standardrepertoire feministisch-theologischer Argumentation eingehen und ist ­ auch in der Erhellung des möglichen theologischen Kontextes ­ umsichtig gearbeitet. Ich sehe allerdings nicht, daß die Autorin ihre These gegen die auch von ihr diskutierte Deutung der drei Figuren als einer der ­ auch anderwärts bezeugten ­ Darstellungen der Trinität durch das Sinnbild der Lebensalter wirklich durchsetzen kann. Die Darstellungsabsicht ist in diesen Trinitätsdarstellungen nicht die Versinnbildlichung der Zeit (108), sondern die Einheit in Dreiheit (ein identischer Mensch in drei Lebensaltern), was zum Kontext des Urschallinger Bildprogramms (vgl. 97 f.) gut passen würde.

Der eigentliche Beitrag des Aufsatzes von Wodtke-Werner zum Gesamtkonzept des Buches ist ein Überblick über die Rede von weiblichen Zügen des Geistes im Laufe der Theologiegeschichte (78-94). Diese Passage ist dadurch interessant, daß sie zeigt, daß die in einigen der folgenden Beiträge als Beleg für die Weiblichkeit des Geistes in Anpruch genommenen Epitheta nicht etwa ’verschüttete Traditionen’ wiederbeleben, sondern im Laufe der augustinischen Tradition der Kirchengeschichte ganz gängige Bilder sind, ohne daß es einem der Repräsentanten dieser Tradition eingefallen wäre, den Geist als weiblich zu prädizieren. Mögen im Bereich der Geburt angesiedelte Bilder fraglos weiblich sein: Es ist aber doch ausgesprochen fragwürdig, warum die Lebensbejahung, das Lebengeben (162-164), die Restitution des Irrationalen und der positiven Bedeutung der Sexualität (144 f.) ausgerechnet ’weiblich’ sein soll. Auch die Feststellung, daß der Geist das Prinzip der Relationalität sei (53) und die in einigen Beiträgen vorgenommene positive Bezugnahme auf die trinitarische Relationalität (169 f.) ist keine spezifisch weibliche Neuentdeckung, sondern eine die gesamte Theologiegeschichte seit Augustin bestimmende Selbstverständlichkeit, die sich normativen trinitätstheologischen Vorgaben und metaphysischen Prinzipien, aber nicht frauenspezifischen Erfahrungen verdankt.

3. Daran knüpfe ich die inzwischen relativ gängige Anfrage an, ob nicht schon das Anliegen, ’weibliche’ Züge und Bilder für den Heiligen Geist zu identifizieren, gemessen am emanzipatorischen Anliegen der feministischen Bewegung insgesamt ein schlichtes Eigentor ist: So warnt etwa der Beitrag von M. Grey beredt vor der Gefahr, durch derartige Fragen die gängigen Stereotype der ’Weiblichkeit’ zu transportieren und unter dem Vorzeichen des ’Feministischen’ festzuklopfen (135); einen Atemzug später gibt sie dann doch wieder die Ganzheitlichkeit, die Beziehung, die Fürsorge, die Freude ohne Besitzanspruch als etwas aus, das der ’Frauenerfahrung’ entstamme (144 f.).

Der ­ nun einmal abgesehen von der theologie- und dogmengeschichtlichen Einleitung, zu der die Autorin offenbar keine Lust hatte ­ hervorragende Beitrag von Lucia Scherzberg thematisiert genau dies Problem und kommt nach dem Referat feministischer und nichtfeministischer Stimmen zum Thema zu dem Schluß: "Alle Ansätze zusammen erscheinen wie eine gigantische Anhäufung von Weiblichkeitsklischees... Alle diese Tätigkeiten, Eigenschaften und Lebensvollzüge sind nicht weiblich, sondern menschlich, und die Feministische Theologie täte gut daran, sich auf eine wichtige Aufgabe des Feminismus zu besinnen, nämlich ideologische Konstruktionen von Weiblichkeit als solche zu entlarven" (132).

Das ist weiterführend, zumal Scherzberg nicht bei dieser Negativfeststellung stehenbleibt, sondern eine Besinnung auf die nichtpersonalen Epitheta des Geistes empfiehlt. Dahingestellt, ob das wirklich ein letztlich gangbarer Weg ist: Die feministische Theologie hat nur dann eine Zukunft, wenn sie diese Selbstkritik ernst nimmt und nicht, wie die Hgn. des Bandes, nivelliert und auch aus Scherzbergs Beitrag nur eine Bestätigung des eigenen Stereotypienkonzeptes herausliest (11).

Auch in anderer Hinsicht vollzieht Scherzberg eine implizite Kritik insbesondere der unter IV versammelten Beiträge des Bandes, indem sie die freischwebende Identifizierung des Geistes in allen möglichen geschichtlichen Phänomenen hinterfragt und ein trennscharfes Kriterium zur Scheidung der Geister fordert (129-132). Die von ihr als Warnung zitierten theologischen Identifikationen des Geistes im geschichtlichen Geschehen des 1. Weltkrieges hätten durch Texte aus der Zeit des ’3. Reiches’ mühelos erweitert werden können und stellen vor Augen, daß die theologischen Limitationen sachgemäßer Rede vom Heiligen Geist eben nicht Ausdruck patriarchaler Willkür oder der Unterdrückung frauenspezifischer Erfahrungen sind (so E. Godel 150 f., bes. 151), sondern bedenkenswerte ­ und möglicherweise ’lebensförderliche’ ­ Einwände.

4. Insgesamt ergibt sich eher der Eindruck von Apercus und Schlaglichtern zum Thema als das Bild eines ’monographischen Beitrages’, den die Hgn. ankündigt. Der Band kann den Anspruch erheben, ein Korrektiv zur Tradition darzustellen, er bleibt aber an das übermächtige Original der Tradition gerade durch den eklektischen Umgang mit derselben gebunden. Die systematische Geschlossenheit eines Entwurfes findet sich nicht einmal als Anspruch; nach meinem Dafürhalten ist der Band allein dadurch bedeutsam, daß er sich in Gestalt des Beitrages von L. Scherzberg eine immanente Selbstkritik leistet und dadurch über die eigene Fragestellung hinaus auf künftige Unternehmungen verweist.

Geschlossenheit strahlt übrigens allein der vieldiskutierte Vortrag von Chung Hyun Kyung aus ­ geschlossen eben dadurch, daß die Ausführungen völlig unbekümmert um auch nur die ernsthafte Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition und völlig sorgenfrei im Blick auf die Praktikabilität der schönen Leerformeln sind (etwa: 177-182). Schlimm ist diese Rede nicht durch die in Kauf genommenen Häresien, sondern durch die Verbindung eines Pathos des Engagements mit praktischer Unbrauchbarkeit aller Ausführungen. So sollte eine feministische Pneumatologie nicht aussehen.