Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/1997

Spalte:

361 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Ensberg, Claus

Titel/Untertitel:

Die Orientierungsproblematik der Moderne im Spiegel abendländischer Geschichte. Das literarische Werk Reinhold Schneiders.

Verlag:

Tübingen: Narr 1995. XI, 322 S. 8° = Mannheimer Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft, 29. Kart. DM 84,­. ISBN 3-8233-5029-3.

Rezensent:

Klaus Stiebert

Die Dissertation des Autors versucht den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen und als Verfasser weltabgewandter Bekenntnisliteratur gänzlich falsch verstandenen Dichter Reinhold Schneider aus dem Blickwinkel der Einseitigkeit zu lösen und in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen, der es erlaubt, ein umfassendes Bild von der Bedeutung seines Werks zu geben. Die Analyse wesentlicher Texte Schneiders ermöglicht, die Frage nach der christlichen Substanz seiner Literatur neu und genauer zu stellen.

Des Schriftstellers erstaunlicher Weitblick schon in den 30er Jahren, seine Sicht auf die Tragik neuzeitlicher Seinserfahrung in einer säkularisierten Welt, die vom Verlust sinnstiftender Ordnung bedroht ist, läßt sein Werk gerade heute als einen unverzichtbaren Teil der deutschen Literatur in der ersten Jahrhunderthälfte erscheinen. Weil er nicht "mit der Zeit gehen" wollte, ist vieles seiner Dichtung zeitlos gültig geblieben.

Die oft unterschätzten Werke, die in den Jahren der "inneren Emigration" entstanden, waren Dokumente des Protests gegen die Unmenschlichkeit und sind darum von besonderem Wert. Ensberg möchte der "interpretatorischen Verengung" im Umgang mit Schneiders Werk wehren, repräsentative Arbeiten neu interpretieren und Entwicklungslinien kenntlich machen. Der Forschungsbericht setzt sich zu Beginn mit der falschen Stilisierung des Schriftstellers als eines "leidenden Glaubensboten" auseinander; es könne nicht um "Vereinnahmung" gehen, sondern um literarische Aneignung, um Befreiung "aus dem Korsett katholisch-moralischen Denkens", aus dem Klischeebild des "christlichen" Dichters.

E. ist zuzustimmen, daß es um eine "phänomenologische Erfassung des Werkganzen" gehen müsse, die von den Texten her ihren Ausgang zu nehmen habe. Von daher ist "Camoes oder Untergang und Vollendung der portugiesischen Macht" als Widerspiegelung der Geschichte Portugals im Werk Luis de Camoes und Erlösung "vom Wahn nationaler Größe" zu lesen, sind die frühen, wenig gekannten Erzählungen Schneiders Auseinandersetzungen mit den fatalen Auswirkungen des Machtmißbrauchs. Auch das Scheitern des christlichen Herrschers, Philipps II. von Spanien, deutet E. richtig als allegorische Spiegelung neuzeitlicher Seinserfahrung. Erzählungen wie "Das Attentat" und "Der fromme Herzog", beide von 1934, thematisieren den Kontrast zwischen der Ordnung Gottes und dem Staat (des Führers), auch wenn die Stoffe in den Erzählzeiten des 19. bzw. 17. Jh.s angesiedelt sind. Schneider steht da in der Nähe der Romane Bergengruens oder Kleppers "Der Vater", aber auch vieler Exilromane wie z. B. Heinrich Manns "Henri Quatre". Das Idealbild politischer Ordnungen wird vom "Inselreich. Gesetz und Größe der britischen Macht" (1936) abgelesen, die tragische Spannung auch hier in den historischen Prozessen wahrgenommen.

Zweifellos stellt der Protest gegen die Verfolgung und Ausrottung der Indianer in "Las Casas vor Karl V." von 1938 einen anspielungsreichen Höhepunkt in der Beantwortung drängender Fragen auf die Krise der Zeit dar ­ zugleich aber ein Eingeständnis ohnmächtigen Scheiterns der Humanität vor dem Terror. Die nach dem Kriesgende entstandenen Erzählungen, dramatischen Werke und autobiografischen Schriften umkreisen das Thema der Unvermeidbarkeit der Schuld mit wachsender Eindringlichkeit und zunehmender Verdüsterung.

Es ist dem Vf. gelungen, einen wichtigen Beitrag zur Neudeutung von Reinhold Schneiders wich