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Ausgabe:

April/1997

Spalte:

347 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Obenauer, Klaus

Titel/Untertitel:

Summa Actualitas. Zum Verhältnis von Einheit und Verschiedenheit in der Dreieinigkeitslehre des heiligen Bonaventura.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1996. 494 S. 8° = Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 559. Kart. DM 118,­. ISBN 3-631-49031-3.

Rezensent:

Franz Courth

Die von Gisbert Greshake betreute und von der Kath. Theol. Fakultät in Freiburg/Br. im WS 1994/95 angenommene Dissertation ist eine in verschiedener Hinsicht bemerkenswerte Studie. Ungeachtet diverser Monographien zur Trinitätstheologie des Seraphischen Lehrers in den letzten Jahren wagt O. einen neuen Anlauf. Die heilsgeschichtlichen und erkenntnistheoretischen Arbeiten vorausgesetzt, will er den innergöttlichen Lebensaustausch in den Blick nehmen. Die Dogmengeschichte soll bei dieser Perspektive zurücktreten. Sein ausdrücklich systematisches Anliegen schließt jedoch nicht aus, daß gelegentlich verdeutlichende Unterschiede zu Alexander von Hales und Thomas von Aquin zur Sprache kommen. Hauptsächlich aber will der Autor in unmittelbarer Interpretation der einschlägigen Texte die Gedanken Bonaventuras zur Wesenseinheit und Dreipersonalität Gottes in ihrem inneren Zusammenspiel analysieren und vertiefen. Dieses Bemühen soll bewußt über eine rationalistische Innenschau Gottes hinauszielen. Damit daß der Vf. Bonaventuras Verständnis vom innertrinitarischen Mysterium in seiner begrifflichen Fassung wie in seiner transzendentalen Geltung skizzieren, aber auch weiterführen möchte, will er das Vorfeld für Ehrfurcht und Erstaunen diesem Geheimnis gegenüber bereiten. Die Vernunft ist nicht davon entbunden, dem ergriffenen Staunen vorausgehend, Einheit und Vielfalt in Gott zu bedenken.

Der Grundgedanke des Werkes ist, die Einheit in Gott als ein Geschehen unterscheidenden Einens und einenden Unterscheidens zu betrachten. Die Einheit Gottes, soll sie wirklich als lebendige aufgefaßt werden, integriert die innertrinitarischen Unterschiede und Hervorgänge und wahrt nur so die Identität und Unveränderlichkeit Gottes.

Zur Profilierung der Studie seien zwei Desiderate vorgebracht. Die erkenntnistheoretischen Überlegungen des Autors sind knapp; ihre Entfaltung hätte seiner Meinung nach den Rahmen der Arbeit gesprengt (375). Deshalb der Verweis auf weiterführende Literatur. Aber genau dadurch erhielte Bonaventuras immanente Trinitätslehre ihre Kontur, daß zumindest die heilsgeschichtlichen Erkenntniswege aufgezeigt würden. Wie weit gibt sich der Autor Rechenschaft über die Analogizität der innertrinitarischen Begriffe und ihre Reichweite? Für Vater, Wort und Geist (Hauchung) als göttliche Namen gilt es stets den heilsgeschichtlich-biblischen Grundton mitzuhören, damit sich trinitarische Termini nicht verselbständigen.

Dem sei ein weiterer Gedanke hinzugefügt. Der Autor arbeitet nahe am Text. Seine Interpretation bietet dabei aber eine Reihe lateinischer Termini und latinisierter Begriffe, die das Verständnis hemmen. Da ist etwa die Rede vom "agapätologischen" Aspekt der trinitarischen Einheit (205); oder von der "inkommunikablen Weise des Permeabelseins im Ordo originis" (276); oder gar von "Wechselzuinnerlichstheit" (471). Läßt sich das rationale Vorfeld trinitarischen Staunens nicht klarer skizzieren? Erinnert sei an Michael Schmaus, den der Autor verschiedentlich zustimmend zitiert; vor mehr als sechzig Jahren schon hat er sich für eine neue, deutsche Sprache (nicht nur) in der Trinitätstheologie eingesetzt, damit diese in ihrer grundsätzlichen Bedeutung auch erfaßt werden kann.

O.s Dissertation hat ihre unbestreitbare Bedeutung darin, mit der immanenten Trinitätslehre einen bisher zu wenig beachteten Aspekt der Theologie des großen Scholastikers in beachtlicher gedanklicher Eigenständigkeit bearbeitet zu haben. Es würde die Arbeit auszeichnen, regte sie zu weiterer Diskussion an.