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Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

509 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Müller, Karl, u. Werner Ustorf [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Einleitung in die Missionsgeschichte. Tradition, Situation und Dynamik des Christentums. Mit Beiträgen von Th. Ahrens u. a.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1995. 291 S. gr.8° = Theologische Wissenschaft, 18. Kart. DM 49,80. ISBN 3-17-011080-2.

Rezensent:

Klauspeter Blaser

Die Reihe "Theologische Wissenschaft" bei Kohlhammer scheint nun mit dem vorliegenden Band abgeschlossen zu sein. Es ist verdienstlich, daß die verantwortlichen Hgg. der Reihe die Missionsgeschichte nicht links liegen gelassen haben, auch wenn diese wiederum erst am Schluß, nach allen anderen Grunddisziplinen, auch noch berücksichtigt wird; das entspricht eigentlich ihrem Stellenwert nicht: Der schöne Untertitel und die nachfolgende Lektüre liefern dafür die Bestätigung. Ich hätte mir nun allerdings für den krönenden Abschluß der Reihe ein etwas geschlosseneres Buch gewünscht, selbst wenn man die Schwierigkeiten, dem Thema beizukommen, in Rechnung stellt.

Das Werk ist so aufgebaut, daß es in seinem Hauptteil nacheinander den Nahen Osten, Nordafrika, Schwarzafrika, den indischen Subkontinent, Zentralasien, Südostasien, Ozeanien, Lateinamerika, Nordamerika und Europa in je ein oder zwei eher kürzeren Darstellungen behandelt. Diese geben meist einen längsschnittartigen oder thematischen, auch die Gegenwart umfassenden Abriß der Christianisierung sowie der Missionsgeschichtsschreibung, wofür jeweils ausgewiesene Kenner der betreffenden Region und Materie verantwortlich zeichnen.

Um diese Kapitel herum gruppieren sich Einführungen und Schlußerwägungen, die insgesamt die Missionsgeschichtsschreibung im Protestantismus und im Katholizismus zu erfassen versuchen, und dies im Wandel der ihr zugrundeliegenden Motivationen und Perspektiven. Der Benützer dieser Einführung kann sich also in kurzer Zeit zu einzelnen geographischen Räumen und zur Missionshistoriographie insgesamt im Gegenüber zur Kirchen- und Profangeschichte kundig machen; er findet zudem auch in Anmerkungen oder angefügten Literaturverzeichnissen viel weiterführende Information. In diesem Sinne entspricht das Buch seinem Haupttitel. Dennoch ist m. E. das Ganze derart heterogen, daß nicht klar wird, was das Buch letztlich beabsichtigt.

Man wird zwar zu berücksichtigen haben, daß es angesichts der Umbrüche und Umschichtungen im Begriff und in der Praxis der Mission heute sehr schwierig geworden ist, zu mehr Einheitlichkeit zu finden, zumal wenn 17 Autoren auf 285 Seiten zu Wort kommen (vgl. Vorwort der beiden Hgg.). Ob aber diese formale und inhaltliche Vielfalt dem sich kundig machen Wollenden bekömmlich wird, ist mir fraglich. Neben der möglicherweise in der Natur des Gegenstandes liegenden Unsicherheit in bezug auf Methode und Inhalt sowie den wohl unvermeidlichen Überschneidungen drängen sich mir einige weitere Fragen auf:

1. Weshalb präsentieren sich die Kapitel manchmal mit, manchmal ohne Apparat und Literaturverzeichnis? Einmal vernimmt man viele historische Details, Daten, Namen und Ereignisse, ein anderes Mal mehr Problemstellungen und Themen; manchmal gehen die Artikel deutlich in Richtung Kirchenkunde. Wäre eine größere formale Geschlossenheit nicht doch zu bewerkstelligen gewesen? Hervorzuheben, weil alle Extreme vermeidend und doch sehr informativ, ist K. Koschorkes Beitrag zum indischen Subkontinent.

2. Weshalb sind die Einführungen von Ustorf und Müller in der Anlage so verschieden, dazu der eine in bezug auf den Titel ("Die Diskussion der Missionsgeschichte im Protestantismus seit dem 16. Jahrhundert") eher lückenhaft, der andere ("Katholische Missionsgeschichtsschreibung seit dem 16. Jahrhundert") eher einen Missionsliteraturkatalog liefernd?

Warum werden in den Beiträgen zur Historiographie die "Lettres édifiantes" sowie die protestantischen Beiträge aus der Frankophonie (M. Leenhardt, J. F. Zorn, etc.) nicht erwähnt? Weshalb kommt J. C. Hoeckendijk nur in einer Anmerkung und St. Neill ebenfalls bloß am Rande vor?

3. Warum wurden in dieser Einführung die Slavenmission und Rußland übergangen?

Ich möchte damit den wissenschafltichen Wert des vorliegenden Werks nicht herabmindern oder unterschätzen und deshalb zum Schluß die Sache ins Positive wenden: Gerade in seiner Vielfalt zeigt diese Veröffentlichung, daß der Mission in Geschichte und Gegenwart nicht mit einfachen Formeln oder Urteilen beizukommen ist. Das Werk bietet einen Spiegel des situationellen Reichtums des Christentums, innerhalb dessen sich seine Tradition dynamisch fortentwickelt. Der Leser wird sich diesem Eindruck nicht entziehen können. Und das ist allemal das Wichtigste.