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Ausgabe:

März/1999

Spalte:

290 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bauer, Christoph

Titel/Untertitel:

Melchior Zobel von Giebelstadt (1544-1558). Diözese und Hochstift Würzburg in der Krise.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1998. X, 635 S. gr.8 = Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, 139. Kart. DM 168,-. ISBN 3-402-03803-X.

Rezensent:

Volker Leppin

Seit 1995 steht der Forschung in Eike Wolgasts "Hochstift und Reformation" ein Wegweiser durch die Geschichte der Reichskirche von der Reformation bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges zur Verfügung. Die - bereits vor dem Erscheinen dieses Werkes abgeschlossene - Würzburger Dissertation von Christoph Bauer gehört zu den darin (13 f.) angemahnten Einzelstudien aus diesem Problembereich. B.s Arbeit will trotz des personbezogenen Titels ausdrücklich nicht Biographie sein, sondern eine Darstellung der Krise, in die Diözese und Hochstift Würzburg im Gefolge der Reformation gestürzt wurden. Mit dieser Akzentsetzung ist B. - anscheinend entgegen der ursprünglichen Intention - dem gefolgt, was ihm seine zahlreichen archvalischen und gedruckten Quellen bieten konnten (1).

Wesentlich bleibt die Orientierung an der Person Zobels freilich insofern, als in seinen geistlichen und weltlichen Funktionen Diözese und Hochstift Würzburg zusammengehalten werden. Die genaue Beobachtung der dadurch vorgegebenen Bedingungen des Handelns Zobels macht eine der großen Stärken der Arbeit aus, hat aber leider auch zu einem nicht wirklich geglückten Aufriß geführt: B. umklammert mit einem knappen biographischen Rahmen (Teil I über die Herkunft, Teil IV über das Ende Zobels) zwei Hauptteile: einen über die bischöfliche Tätigkeit Zobels in seiner Diözese und einen über die äußere Sicherung des Hochstifts in den Kriegswirren der Zeit. Die Interdependenz beider Aspekte aber zwingt B. immer wieder dazu, bereits bei der Behandlung der bischöflichen Tätigkeit Zobels auf deren Zusammenhang mit der äußeren Bedrohung einzugehen. Eine schlichte Umkehrung der Reihenfolge beider Hauptteile hätte hier wenigstens die gröbsten Darstellungsprobleme beheben können.

Im ersten Hauptteil deutet B. Zobel mit großer Vorsicht als Vertreter einer "kirchliche[n] Vermittlungspartei" (176), der den Erhalt der alten Kirche mit sanftem Druck und durchaus reformbereit betrieb. Mit dieser Tätigkeit konnte er, wie B. deutlich machen kann, freilich bald kaum mehr über die Grenzen des Hochstiftes hinaus wirksam werden, weil in anderen Gebieten der Diözese die Reformation Einzug gehalten hatte.

Die bischöfliche Tätigkeit Zobels schlug sich in Reform und Restauration der alten Kirche nieder. Eine der interessantesten Beobachtungen B.s ist dabei, daß Zobel in seinen - nicht eben umfangreichen - Reformmaßnahmen in der Diözese durchaus nicht direkt von den Beschlüssen des Konzils von Trient inspiriert war. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere sein Bestreben, gebildete Kleriker durch Verleihung von Doktorpfründen nach Würzburg zu ziehen, aber auch - unter dem Einfluß der kaiserlichen Formula Reformationis - der Versuch, den Klerus zu disziplinieren, sowie die Durchführung einer Diözesansynode. Diesen aufbauenden Maßnahmen entspricht die Abwehr reformatorischer Bestrebungen auf dem Gebiet des Hochstifts, insbesondere die Unterbindung der Tätigkeit protestantischer Geistlicher. Von hoher Signifikanz für das Verhältnis von geistlichen und weltlichen Belangen beim Bischof ist dann, wie B. überzeugend und anschaulich herausarbeitet, die Frage der Klöster: Hier hat Zobel mit einer später von seinen Nachfolgern fortgesetzten und ausgebauten Politik begonnen, nämlich alle nur erdenklichen Rechte Würzburgs an Klöstern zu aktivieren - und zwar vornehmlich mit Blick auf deren weltlichen Besitz, der gerade in Zeiten Würzburgischer Finanznot äußerst attraktiv war.

Hintergrund dieser Finanznot waren vor allem die kriegerischen Auseinandersetzungen, die B. im zweiten Hauptteil darstellt. Dieser ist ihm fast zu einer eigenen Monographie über den Markgräflerkrieg der Jahre 1553/4 ausgewachsen: Die Behandlung des Schmalkaldischen Krieges sowie der Erhebung des Moritz von Sachsen und seiner Verbündeten gegen Karl V. im Jahre 1552 bildet hierfür den Hintergrund. Denn es war eben diese Fürstenerhebung, in deren Windschatten Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach Zobel zu einem Vertrag drängte und drückte, in dem das Hochstift zu gewaltigen Zahlungen verpflichtet wurde. Und eben der Streit um diesen Vertrag, den Karl V. zunächst kassierte und dann doch wieder in Kraft setzte, führte dann zu den kriegerischen Auseinandersetzungen Albrechts mit Würzburg. Daß der Markgraf letztlich scheiterte, änderte daran nichts, daß der Krieg für Würzburg eine fast untragbare finanzielle Belastung darstellte.

Die Darstellung des Hin und Her bei den Verhandlungen vor Kriegsausbruch wie auch des Kriegsgeschehens selbst hat Bauer eingehend und detailreich aus seinen archivalischen Materialien erhoben und damit eine wichtige Episode aus der Zeit zwischen Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfrieden aufgearbeitet. Seine Ausführungen geben einen tiefen Einblick in die Bündnispolitik dieser Jahre und haben so eine Bedeutung für die genauere Erfassung dieser Zeit, die weit über den enggesteckten Rahmen Würzburgs hinausreicht.

B.s Arbeit, in der man sich allerdings an manchen Stellen etwas mutigere Interpretation und deutlichere theoretische Einbettung des Entdeckten wünschen könnte, besticht durchweg durch hohe Quellennähe. Indem B. eine Fülle von Material erschließt, hat er die Forschung um einen präzise und solide gearbeiteten, in klarer Sprache verfaßten Beitrag bereichert.