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Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

501 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Bucher, Anton A.

Titel/Untertitel:

Religionsunterricht: Besser als sein Ruf? Empirische Einblicke in ein umstrittenes Fach.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1996. XII, 180 S. 8° = Salzburger Theologische Studien 3. Kart. öS 248.­. ISBN 3-7022-2028-3.

Rezensent:

Helmut Hanisch

In der Öffentlichkeit ­ besonders in der Presse und in der politischen Diskussion ­ ist es in den letzten Jahrzehnten Mode geworden, das Fach Religion an öffentlichen Schulen in Frage zu stellen. Nicht selten wird eine Novellierung des Art 7,3 dahingehend gefordert, daß der konfessionelle Status des Faches zugunsten einer allgemeinen Religionskunde aufgehoben wird. Von der allgemeinen Religionskunde erhofft man sich, daß sie eher den pluralistischen Entwicklungstendenzen in der Gesellschaft entspricht als dies bei einem konfessionell erteilten Religionsunterricht der Fall ist. Daneben gibt es die noch krassere Forderung, den Religionsunterricht gänzlich abzuschaffen, weil er gesellschaftlich obsolet geworden sei. Um diese Forderungen zu unterstützen, wird gern auf Negativerfahrungen verwiesen, die Schülerinnen und Schüler in diesem Fach machen. Dabei werden einzelne Stimmen aufgegriffen und grob verallgemeinert, so daß der Eindruck entsteht, daß das Fach schlechterdings zur Erfolglosigkeit verdammt sei. Das ist der sachliche Hintergrund, vor dem die Studie von Anton A. Bucher zu lesen ist. Aufgrund einer großangelegten empirischen Untersuchung geht er der Frage nach, wie Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schultypen und Regionen in Österreich den Religionsunterricht einschätzen und wie sie seine Position in der Schule bewerten. Daneben untersucht er die religiöse Einstellung Jugendlicher und versucht herauszufinden, wie Religionslehrerinnen und Religionslehrer das Fach bewerten. Aufgrund seiner Befragung gelangt Bucher zu einer Reihe überraschender Ergebnisse:

Die Beliebtheit des Faches ist im Vergleich zu früheren Untersuchungen gestiegen; seine Wertschätzung hängt weitgehend von der didaktischen Kompetenz ab, mit der das Fach unterrichtet wird; wesentlichen Einfluß auf die Akzeptanz des Religionsunterrichts hat das Schulklima, in dem er stattfindet. Schließlich stellt er ernüchternd fest, daß der Religionsuntericht im Hinblick auf die religiöse Erziehung weniger eine kompensatorische Wirkung besitzt, sondern eher dazu beiträgt, die religiöse Erziehung des Elternhauses zu verstärken. Gegenüber weit verbreiteten Vorurteilen, wie sie einigen neueren Studien zur religiösen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu entnehmen sind, gelangt Bucher u. a. zu folgenden überraschenden Einsichten:

Jüngere Schülerinnen und Schüler besitzen ein hohes Maß an Religiosität, die aufs engste mit ihrer Kirchlichkeit verbunden ist. Bei älteren Schülerinnen und Schülern ist ein starker Rückgang religöser Selbsteinschätzung wahrzunehmen. Die Zustimmung zu christlichen Glaubensinhalten schwindet. Zugleich wächst das Verlangen nach religiöser Selbstbestimmung.

Auch die Äußerungen der Religionslehrerinnen und Religionslehrer über ihre eigene Berufspraxis sind überraschend. Da es hier nicht der Ort sein kann, im einzelnen die Ergebnisse vorzustellen, soll eines herausgegriffen werden, das viele überraschen mag: Die überwiegende Zahl der angesprochenen Berufsgruppe ist mit ihrem Beruf zufrieden. Es finden sich ­ im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ­ weit weniger Kolleginnen und Kollegen, die berufliche Verschleißerscheinungen zeigen.

Was die empirische Untersuchung neben ihrem hohen Informationswert äußerst lesenswert erscheinen läßt, ist die präzise Art der Darstellung und das vorbildliche methodische Vorgehen, das exemplarisch zeigt, wie empirische Untersuchungen auf dem Gebiet der Religionspädagogik durchzuführen sind. Zu bedauern ist, daß eine ähnliche Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorliegt. Von hohem Nutzen wäre sie, um die Diskussion über den Religionsunterricht zu versachlichen und zu empirisch fundierten religionspädagogischen Konsequenzen zu gelangen.