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Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

492–494

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Theilemann, Christof

Titel/Untertitel:

Die Frage nach Analogie, natürlicher Theologie und Personenbegriff in der Trinitätslehre. Eine vergleichende Untersuchung britischer und deutschsprachiger Trinitätstheologie.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1995. 316 S. 8° = Theologische Bibliothek Töpelmann, 66. Lw. DM 178,­. ISBN 3-11-014439-5.

Rezensent:

Udo Kern

Anliegen dieser 1990 an der Ostberliner Kirchlichen Hochschule angenommenen theologischen, wohl von Wolf Krötke betreuten Dissertation ist es, "zu zeigen, welches Verständnis theologischer Rede von Gott am angemessensten die Basis für die vorzulegenden trinitätstheologischen Erörterungen bilden kann" (2). Von zentraler Bedeutung erscheint Th. dabei der trintitätstheologische Personbegriff. Wie der Untertitel ein wenig zu vollmundig urgiert, soll es in dieser Arbeit zu einem vergleichenden Diskurs britischer und deutschsprachiger trinitätstheologischer Ansätze kommen. Leonard Hodgson und John Macquarrie auf der einen Seite und die drei evangelischen Theologen W. Pannenberg, J. Moltmann und E. Jüngel sowie die drei römisch-katholischen Theologen K. Rahner, H. Mühlen und W. Kasper auf der anderen Seite sind insbesondere Th.s Gewährsmänner.

Der glaubende Christ erfährt und begreift sich, so Hodgson, in seiner Existenz als in Relationen zu den trinitarischen Personen hineinversetzter. Sein Dasein sei in seinem Sein quasi von den göttlichen Personen umgeben. Die göttlichen Personen erfährt er als solche, die sich in "Taten" in Relation zu ihm setzen. Der Christ "prüft die ihm zukommenden ’empirischen Daten’ durch Gewissen und Vernunft. Diese Erkenntnisse werden dann vom ihm vermittels eines Verfahrens im Sinne der via negationis auf das ’innere Leben’ Gottes selbst projiziert. So kommt es zu der Trinitätslehre..." (16). Hogdson, dem es trinitätstheologisch um die Nähe Gottes zu den Menschen gehe, sei u. a. kritisch anzufragen wegen seiner Auffassung von der Leidensunfähigkeit Gottes ad intra.

Nach Macquarrie sei ähnlich wie bei Karl Rahner in der Konstitution des Menschen selbst die Suche nach Gott gegeben. Indem nach dem Sein gefragt werde, komme es sozusagen zur ontologischen Vergewisserung und zum Erkennen der Potentialität des Nichtseins, das wiederum konstitutiv für des Menschen Empfangen der Offenbarung sei. Die Trinitätslehre habe ihren Grund in der Selbstoffenbarung Gottes, und sie sei die christliche Sprachlehre, die von der komplexen Erfahrung Gottes erzähle. Sie verbinde philosophische (natürliche) Theologie und Offenbarungs(symbolische)-Theologie. Transzendenz und Immanenz Gottes kämen trinitarisch recht zur Sprache, jene durch die Seinsweise des Vaters, diese durch die des Sohnes und des Geistes. Für Macquarrie ist Gott der Vater das ursprüngliche Sein (primordial Being), Gott der Sohn expressives Sein und der Heilige Geist einigendes Sein (unitive Being). Kritikwürdig seien Macquarries diesbezügliche exegetische und dogmengeschichtliche Bemühungen oder präziser: Vernachlässigungen und insbesondere die auch bei Hodgson anzutreffende Eliminierung der immanenten Trinität.

Hodgson und Macquarrie seien aber zu würdigen in ihrem Versuch, die Schöpfung, auch in ihrer Zeitlichkeit und ihrem Leiden, und Gott zusammenzudenken. Bei beiden ­ freilich in unterschiedlicher Argumentation ­ sei der große Einfluß der natürlichen Theologie auf ihre jeweilige trinitarischen Überlegungen zu konstatieren, der dazu führe, daß die trinitarische Fundamentalbasis der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus nicht angemessen berücksichtigt werde.

Th.s theologisch normierender Kanon, den er prinzipiell nicht hinterfragt, heißt Eberhard Jüngel. Das gilt trotz gelegentlicher Anfragen, z. B. wenn er Jüngels Appropriationsauffassung als eine solche ansieht, bei der man nicht stehen bleiben dürfe. Jüngel ist ihm das Maß, an dem trinitarisches Denken zu messen ist. Entsprechen theologische Positionen diesem nicht, kommt es häufig zu forschen Abqualifizierungen.

Das gilt insbesondere, aber nicht nur hinsichtlich Wolfhart Pannenbergs, der aber immerhin noch im Hinblick auf seinen theologischen Ansatz einigermaßen ausgewogen befragt wird. Als der gleichsam theologische Diabolus ­ und das scheint ja modische Konjunktur in Deutschland zu haben ­ erscheint jedoch der trinitätstheologische Ansatz Jürgen Moltmanns. Der Vf., der sich in dieser Arbeit nicht nur zuweilen als Vertreter einer Barthorthodoxie profiliert, hat sich mit den von ihm behandelten theologischen Denkern eingehend beschäftigt, davon zeugt sein weitgehend kritischer Dialog mit ihnen. Allerdings hat man den Eindruck, daß es mit trinitätstheologischen Argumentationsmustern, die dem Barthschen und Jüngelschen Ansatz nicht subsumierbar sind, weniger zu einem Gespräch kommt als zu kategorischen Festlegungen der entsprechenden Ansätze, so daß damit der entsprechende theologische Diskurs zu schnell beendet wird.

Im Zusammenhang der Zurückweisung von Pannenbergs Analogiekritik wirft der Vf. Pannenberg ungebührende Lozierung des rechtfertigenden Glaubens vor. Th.s Verständnis des Glaubens im Rahmen der Rechtfertigung atmet aber mehr tridentinischen als reformatorischen Geist, so daß sein Glaubensargument gegenüber Pannenberg nicht trifft.

Der Versuch des Vf.s, den Analogiegedanken in seiner trinitarisch-theologischen Bedeutung zu betonen, ist zweifelsohne zu begrüßen. Allerdings kommt das für das philosophische und theologische Verstehen substantiale antike und scholastische Denken nur recht summarisch und nicht präzise genug (wie so oft bei protestantischen Theologen) zur Sprache. Mit Jüngel ist ihm das Kreuz Christi grundlegend für theologisch legitimes Analogieverständnis und so für das Trinitätsverständnis. Von hier aus ergebe sich die rechte Sicht auf das Problem: Analogie ­ natürliche Theologie. Aus dieser Perspektive wird das Analogieverständnis seiner Gewährsmänner durchleuchtet und beurteilt. Ohne den christologischen Grundkonnex komme es zu nicht hinzunehmender natürlich-theologischer Relativierung der Trinitätslehre. Konsequent gelte es mit Jüngel, das Sein Christi als das vestigium trinitatis schlechthin trinitätstheologisch einzubringen. Nur ein theologisches Analogieverständnis, das dies fundamental berücksichtige, sei trinitarisch theologisch akzeptabel.

Karl Rahners Analogieverständnis, das in Zusammenhang zu sehen sei mit seiner natürlichen Gotteserkenntnis, könne von daher theologisch nicht als überzeugend angesehen werden, denn "Seins- und Erkenntnisgrund der Analogie" sei bei Rahner "nicht der Mensch Jesus, sondern der nach dem Sein fragende Mensch als solcher" (153).

Der Vf. sagt ausdrücklich: Auf Rahners bekannte These: "Die ’ökonomische’ Trinität ist die ’immanente’ Trinität und umgekehrt" "baut meine Arbeit auf" (159 f.). Dabei versäumt er nicht zu erwähnen, daß Jüngel dieser These zustimmt. Die Entsprechung von immanenter und ökonomischer Trinität muß für den Vf. in der Konsequenz des Jüngelschen Ansatzes christologisch loziert und verifiziert werden. Der Gekreuzigte als das vestigium trinitatis kommt auch hier zur Geltung. "Entspricht Jesus Christus in seinem Menschsein Gott (gerade auch im Kreuz), dann ist zu sagen: Die ’ökonomische’ Trinität entspricht der ’immanenten’" (162). Diese Identität beinhalte einmal, daß das Sein Gottes ad extra nicht ein anderes Sein als das Sein Gottes ad intra ist, aber zugleich wehre es auch einem tautologischen Mißverständnis, daß das Sein Gottes nach innen und nach außen als unterschiedslos ansieht. Auch das verifiziert der Vf. christologisch und fragt: "...der Mensch Jesus von Nazareth als solcher ist von Gott zu unterscheiden. Wären Gott und dieser Mensch unterschiedslos identisch, wie könnten dann Gottes Göttlichkeit und die Menschlichkeit dieses Menschen festgehalten werden?" (163)

Der Vf. kritisiert das Verhältnis von immanenter und ökonomischer Trintät in den Theologien von Rahner, Moltmann, Kasper und Pannenberg. Rahners Präferenz "psychologischer" Analogien behindere die Gegenseitigkeit der trinitarischen Relationen. Kasper trage mit seinem apophatischen Charakter der immanenten Trinität zu Relativierungen des trinitarischen Personbegriffs bei. Bei Moltmann komme es zu dichotomischer Zerrissenheit zwischen innertrinitarischer Notwendigkeit und ökonomisch trinitarischer Freiheit. Pannenberg, der immanente und ökonomische Trinität durch das Handeln verbinde und unterscheide, denke einseitig die Offenbarung von Gottes in der Offenbarung offenbaren Unterschiedenheit seines Seins her. Trinitätstheologisch gelte es, der durch die Tradition mitverursachten Einseitigkeit der Betonung der Einheit zu wehren. Nur die durch die Christusoffenbarung erkennbare Identität von Gottes Wesen und Existenz ermögliche die Beseitigung der damit gegebenen Aporien. In Christus erzeige sich Gottes Sein als Liebe.

Die trinitarischen Konsequenzen dieses christologischen Datums schaffen trinitätstheologisch Fundamentaldeterminanten: "Gott selbst erschließt sich in Jesus Christus als ein ’Subjekt’ in drei ’Personen’", das heißt : "1. Gott ist dieses trinitarische ’Subjekt’ nur in den ’Personen’ des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes... Unabhängig von Vater, Sohn und Heiligem Geist kann von Gott als diesem ’Subjekt’ nicht die Rede sein. 2. Die trinitarischen ’Personen’ sind als solche nicht abstrahiert von ihrer konkreten Einheit ­ nämlich als dieses trinitarische ’Subjekt’ ­ zu denken. Man redet von Vater, Sohn und Geist nicht als von diesen konkreten ’Personen’, wenn man sie nicht dieses eine trinitarische ’Subjekt’ Gott nennt" (290).

Im trinitätstheologischen Personbegriff würden die Personen nur definiert werden können im Zusammenhang von Gottes Wesen als Liebe. "’Person’ sind die trinitarischen ’Personen’ also jeweils, indem sie sich liebend zueinander in Beziehung setzen bzw. indem sie voneinander geliebt werden" (295, beim Vf. gesperrt).

Die vorgelegte Arbeit bietet auf der Basis Jüngelschen Trinitätsverständnisses einen interessanten Einblick in prägende trinitätstheologische Diskursmuster britischer und deutschsprachiger Trinitätstheologie. In Auseinandersetzung mit ihnen behauptet sie eigenständig dieses ihr Jüngelsches Trinitätsverständnis.