Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

491 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Predel, Gregor

Titel/Untertitel:

Sakrament der Gegenwart Gottes. Theologie und Natur im Zeitalter der Naturwissenschaften.

Verlag:

Freiburg- Basel-Wien: Herder 1996. 279 S. gr.8° = Freiburger theologische Studien, 158. Kart. DM 78.­. ISBN 3-451-23964-7.

Rezensent:

Joachim Wiebering

Der Untertitel läßt eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Standes der Diskussion um diese Fragen erwarten. Es geht jedoch ausschließlich um eine Darstellung der Schriften des englischen Biochemikers und Theologen Arthur Robert Peacocke. Da seine Werke nur in englischer Sprache vorliegen, ist er in der deutschsprachigen Diskussion nicht so bekannt, wie es zu wünschen wäre. Immerhin wird er in den Entwürfen der Schöpfungstheologie bei Pannenberg, Moltmann und Link ausdrücklich zitiert, ebenso bei Schwöbel und Welker. Peacocke ist Jahrgang 1924, hat in Oxford Chemie studiert und gelehrt und erst später sich der Theologie zugewandt. 1971 zum Priester der Church of England geweiht, lehrt er seitdem auf dem Grenzgebiet von Theologie und Naturwissenschaften und ist Vorsteher einer ökumenischen Ordensgemeinschaft. Allein seine theologischen Aufsätze und Schriften ergeben über fünfzig Titel, in denen sich freilich viel wiederholt, wie der Autor dieser Studie feststellt.

Schwerpunkt der Arbeit ist ein "Versuch der Zusammenführung von theologischer und naturwissenschaftlicher Erfahrung zu verschiedenen Modellvorstellungen der Beziehung von Gott und Natur" (21). Modelle sind für P. Bindeglieder zwischen religiöser Erfahrung und wissenschaftlicher Abstraktion, die im Licht neuer Erkenntnisse jeweils neu formuliert werden müssen. Für P. handelt es sich dabei um Modelle für "Transzendenz in Immanenz", weil nur darin eine Zusammenführung von theologischen und naturwissenschaftlichen Aussagen möglich ist. So hat P. ein "musikalisches" Modell entwickelt, mit dem er die Spannung zwischen Notwendigkeit und Freiheit bei der Schöpfung erläutern will. Dabei wird Gott als "Komponist" und die Schöpfung als "Komposition" verstanden. In diesem Modell sind "die Freiheit des Schöpfers und die Offenheit der Zukunft der Schöpfung gewahrt" (94). Der Kosmos ist kein geschlossener Mechanismus eherner Gesetze, wohl aber ein "Ort innovativen Wandels" auf der Grundlage eines Zusammenspiels von Zufall und Naturgesetzen.

Ein weiteres ­ auch bei Moltmann benutztes ­ Modell ist das der Welt als "Spiel", bei dem der Ausgang offen ist. Die Naturgesetze erscheinen dann als "Spielregeln", ohne daß diese den kreativen Zufall ausschließen. "Die gemeinsame Betonung der Rolle des Zufalls in der natürlichen Kreativität und der Immanenz Gottes in den gleichen natürlichen Prozessen führt nicht zum Deismus, sondern zur Integration von Immanenz und Transzendenz" (104 f.). So kommt P. zu einem panentheistischen Bild des Verhältnisses Gott ­ Mensch ­ Natur, wobei der Mensch in beiden Bereichen ­ Gott und Natur ­ lebt und an ihnen Anteil hat.

P. macht Aussagen über Gott, die eine Selbstbeschränkung des Wissens und der Allmacht Gottes involvieren. "Die Natur erhält damit trotz und gerade wegen der Immanenz Gottes einen beachtlichen Grad an Autonomie zugesprochen, der als Grund der Möglichkeit menschlicher Freiheit angesehen werden kann. In einem gewissen Maße erhält damit auch die Schöpfung die Möglichkeit eigener schöpferischer Entfaltung hin zu höherer Komplexität" (168).

Der für naturwissenschaftliches Denken so schwierige Begriff einer Prädestination allen Geschehens im Kosmos ist damit vermieden. Allerdings weist der Autor darauf hin, daß P. mit solchem Verzicht auf die Unendlichkeit des Wissens in Widerspruch zur dogmatischen Tradition gerät. Theologisch läßt sich das allein christologisch begründen, daß Gott in Jesus Christus aus Liebe sich vom Menschen abhängig macht. Dieser Verzicht könne auf den Kosmos ausgedehnt werden. "So verstanden wäre eine Selbstbeschränkung der Allwissenheit ein nicht mehr zu übertreffendes, radikales Ja Gottes zur Schöpfung und ihren Möglichkeiten" (257).

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Aussagen, die P. in seinen Schriften macht, leistet die Studie nicht. Es bleibt auch offen, wie weit von naturwissenschaftlicher Seite her der intendierte Brückenschlag zur christlichen Theologie akzeptiert bzw. aufgegriffen wird. Man wird an das System der Evolution bei Teilhard de Chardin erinnert, das ebenfalls in sich schlüssig erscheint, aber auch spekulative Elemente enthält, die in der Breite der naturwissenschaftlichen Weltsicht nicht aufgenommen worden sind. Für die theologische Rede von der Schöpfung ist es sicher wichtig, "die von allen Wissenschaften geforderte Einheit des Kosmos auch im Gespräch von Theologie und Naturwissenschaften aufscheinen zu lassen" (262).