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Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

479 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ebeling, Hans

Titel/Untertitel:

Das andere Gesetz. Letzte Philosophie und die Lehre vom Einen.

Verlag:

Würzburg: Königshausen & Neumann 1996. 125 S. gr.8°. Kart. DM 26,­. ISBN 3-8260-1158-9.

Rezensent:

Günther Keil

Das andere Gesetz: Es ist keines von den Gesetzen und Strukturen der Wirklichkeit. Erst wo diesen der Abschied gegeben worden ist, beginnt das andere Gesetz. Es ist nicht das Sein, das immer in Disjunktion zum Nichts steht, nicht die Vernunft, der die Unvernunft gegenübersteht, sonder das Eine, das noch über Sein und Nichts und noch über Vernunft und Unvernunft ist, alles übergreifend und bergend. Ihm schulden wir Dank für gewährte Gegenwart, ihm gegenüber sind wir schuldig, es verfehlt zu haben, in ihm haben wir aber auch Stand, in dem "das Subjekt selbst in den Stand gesetzt" wird (108 ff.; 120). Das Subjektsein überbrückt so auch die Differenz von Sein und Sollen und weist so in besonderer Weise auf das Eine hin: "Das Subjekt ist selbst die Brücke zum Einen" (120). Dieses Eine ist durch die Erste Philosophie "verrückt" worden: "Die Metaphysik der Vernunft von Platon zu Hegel ist der Weg, das nach Platon preisgegebene Eine mit Hegel wiederzugewinnen. Das Eine bleibt gleichwohl verrückt..." (95) wegen der Verbiegung des Einen in die Dreifaltigkeit der Frage nach "Gott, Freiheit und Unsterblichkeit"(95). Die Zweite Philosophie (wesentlich zwischen Schopenhauer und Heidegger) hat dann das Eine "verstellt". Nun gilt es, in einer "Letzten Philosophie" der Moderne das Eine zu "bergen" (94 ff.). Das etwa ist das Endresultat der Gedanken dieses Buches.

Dieses Endresultat wird durch folgenden Denkweg vorbereitet: Das Gesetz der Physik, der Technik, der Politik, der Juridik, der Ethik und der Ästhetik, obwohl in der Vernunfthaftigkeit von dem einen zum anderen immer weiter aufsteigend, ist nicht das andere Gesetz; erst im Gesetz der Metaphysik, das allerdings bisher wesentlich verstellt ist, kann es zur Sprache kommen. Nach dieser "Einführung" (11-21) behandelt der 1. Teil die "Metaphysik der Vernunft " (21-59). Als theoretische Regulative dienen der Vernunft dabei der wahre Geist und die wahre Natur, während der Gedanke einer wahren Welt in die technisch zerstörte Natur mündet. In praktischer Hinsicht fungiert das Gesetz der Moral, des Rechts und der Republik als Möglichkeit des Widerstehens vor allem gegen die Unvernunft der Welt. Der 2. Teil "Metaphysik des Willens" (59-93) bietet zunächst die "Spielregeln" der Willensmetaphysik als Wille zum Nichts (Schopenhauer), Wille zur Macht (Nietzsche), Wille zum Sein (Heidegger), gegen die sich die Kritik des Vf.s wendet. Dann wird im "ästhetischen Gesetz des Abschieds" der abschiedliche Übergang ins andere Gesetz gesucht. Dabei wird merkwürdigerweise nur die Ästhetik der Moderne und auch die nur in je einem Vertreter der Dichtung herangezogen. Dabei zeigt sich eine Stufung vom "tragischen Element der Kunst" (dargestellt an Joseph Roth) über das "komische Element der Kunst" (gezeigt an Beckett) zur "Totalität der exilierten Kunst" (Paul Celan). Im Unterschied zum Endresultat des Denkens herrscht hier eine modern-gnostische, das in der Wirklichkeit Gegebene negativ sehende Grundhaltung. Der 3. Teil "Metaphsyik der Moderne" (93-125) enthält dann die oben dargestellten Gedanken über das Eine.

Leider argumentiert das Buch nicht wirklich, sondern behauptet einfach. Auch werden einzelne Gegebenheiten (Personen, Entwicklungstendenzen, [negative] Wertungen), die unserer Meinung nach auch ganz anders gesehen werden könnten, herausgegriffen und verallgemeinert, was oftmals dazu führt, daß sie nur den überzeugen, der sowieso schon überzeugt ist. Auch bleibt eine durchgängige Ablehnung aller Theologie zu konstatieren, wobei der Vf. vielleicht gegen einen vulgär Gott zum Einzelnen machenden Theismus durchaus Recht haben kann, aber das ist doch gerade nicht der Gott der christlichen Theologie schlechthin, in der Gott immer wieder das Eine ohne Gegensatz durchaus im Sinne des Vf.s ist (besonders deutlich bei Meister Eckhart, Nikolaus von Cues, Paul Tillich und vielen anderen). Doch wie dem auch sei: Die Lehre vom bergenden Einen ist zwar nicht neu, aber vom Vf. in der Moderne und Postmoderne skizziert worden.