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Ausgabe:

Mai/1997

Spalte:

457–459

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Eisen, Ute E.

Titel/Untertitel:

Amtsträgerinnen im frühen Christentum. Epigraphische und literarische Studien.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 287 S. gr.8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 61. geb. DM 88,­. ISBN 3-525-55170-3.

Rezensent:

Angelika Dörfler-Dierken

Trotz intensiver Suche nach Frauengestalten in frühchristlicher und altkirchlicher Zeit, von denen nachgewiesen werden kann, daß sie das christliche Leben ihrer Gemeinden in besonderer Weise gestaltet oder begründet haben, sind bis heute nur wenige solcher Christinnen bekannt. Dieser Befund kann angesichts der patriarchalen Umwelt des frühen Christentums nicht verwundern, zumal die neue Religion nicht neue soziale Verhältnisse zu begründen suchte. Deshalb verwundert es nicht, daß nur wenige Frauen im Lauf der Christentumsgeschichte als Amtsträgerinnen christlicher Gemeinden erkennbar werden.

Im Gegenteil: Eher schon ist es bemerkenswert, daß wir in den letzten Jahren genauere Kenntnis von immer mehr Frauen erhalten, die in frühchristlicher und altkirchlicher Zeit herausgehobene Positionen in den christlichen Gemeinden bekleidet haben. E. hat akribisch die von der neutestamentlichen und kirchengeschichtlichen Forschung zur Frauengeschichte bereitgestellten literarischen Quellen zusammengetragen und gesichtet. Insofern ist ihre Arbeit ein wohlfeiles Kompendium zur Geschichte christlicher Amtsträgerinnen in den ersten fünf Jahrhunderten mit umfassender Bibliographie, allerdings bedauerlicherweise ohne jegliches Register. Da die älteren Untersuchungen vornehmlich solche Quellen herangezogen haben, die über Frauen aus einer androzentrischen Perspektive berichten (etwa Märtyrerinnenviten oder Verbote bestimmter weiblicher Tätigkeiten in den Gemeinden), hat E. sich bemüht, das Material durch Sachüberreste ­ über vierzig Grabinschriften, in denen christliche Frauen mit Titeln beziehungsweise Berufsbezeichnungen genannt werden, und einen Brief ­ zu ergänzen. Da sie nicht Vollständigkeit der Erfassung des epigraphischen Materials anstrebt, sondern einen Einblick in die Vielfältigkeit und Verschiedenartigkeit der Amtstitel von Christinnen geben will, entsteht der ­ sicherlich nicht ganz unbegründete ­ Eindruck, daß die Zahl der Amtsträgerinnen in der christlichen Kirche im Vergleich zu der ihrer männlichen Kollegen ausgesprochen gering war. Allerdings ist das Verhältnis der inschriftlichen Nennung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern bislang für keine Region untersucht, so daß statistisch begründete Aussagen nicht möglich sind. Trotzdem ist deutlich, daß die Suche nach Amtsträgerinnen nicht mit einer Flut von neuem Material belohnt wurde. Deshalb konnte E. nichts tun, als das vorhandene akribisch vor dem Hintergrund der literarischen Quellen zu interpretieren, um so wenigstens Spuren weiblicher Amtstätigkeit in neutestamentlicher und altkirchlicher Zeit sichtbar werden zu lassen.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen vielfach bisherige Forschungsergebnisse: Ein Grabepigramm für eine Apostelin wurde nicht aufgefunden; daß der Ehrentitel Apostel (im Sinne von Erstverkündiger des Auferstanden), nicht nur der in Rö 16,7 genannten Iunia, sondern in späteren Jahrhunderten auch anderen Frauen beigelegt wurde ­ beispielsweise Maria Magdalena, Thekla (Ende des 2. Jh.s) und Nino (Missionarin Georgiens, erste Hälfte des 4. Jh.s) ist bekannt. Prophetinnen sind sowohl im Neuen Testament als auch in der Alten Kirche bis ins 5. Jh. hinein vielfältig bezeugt, wenn auch schon früh Versuche deutlich werden, ihr Wirken einzuschränken. Aus dem Kleinasien des 4. Jh.s stammt das Grabepigramm einer Prophetin namens Nana; die Amtsbezeichnung ist der Inschrift erst nachträglich zugefügt worden. Theologische Lehrerinnen sind in Ägypten vereinzelt, im Rom des Hieronymus jedoch mehrfach im 4./5. Jh. bezeugt. Ob sie ausschließlich im christlichen Hauskreis, in der privaten Schule und klösterlichen Jungfrauengemeinschaft tätig waren oder ob sie auch im Gottesdienst lehrten, ergibt sich aus den Quellen nicht. Allerdings ist deutlich, daß Priester bei solchen Frauen wie der geistlichen Freundin des Hieronymus, Marcella, geistige Anregung und Belehrung empfingen.

E. bringt einen Papyrusbrief der wohl in Ägypten tätigen Lehrerin Kyria in die Diskussion ein, von dem nur die Schlußgrüße erhalten sind. Zudem heißt es im Grabepigramm einer römischen magistra fidei namens Theodora aus dem 4./5. Jh., die Frau habe ihre außerordentlichen Gedanken auf ’sanctis’ gerichtet, und eine makedonische Lehrerin Theodora, mit dem Amtstitel ’didaskalos’ bezeichnet, stand einem Frauenkloster vor. Presbyterinnen sind im Osten wie im Westen vielfältig literarisch und inschriftlich belegt, wenn auch deutlich wird, daß Frauen in diesem Amt eine Minderheit bildeten. Brisant ist die Tatsache, daß bis zum 8./9. Jh. um die Legitimität des Altardienstes von Presbyterinnen gestritten wurde.

Auch das Witwenamt ist im Westen wie im Osten vielfältig belegt; allerdings fehlen epigraphische Belege aus dem Osten. Am reichsten ist das epigraphische Material zu Diakoninnen. Inschriften aus Palästina, Kleinasien, Griechenland, Makedonien, Dalmatien, Italien und Gallien sind erhalten. Sie zeigen, daß Frauen ebenso der Titel ’diakonos’ wie ’diakonissa’ verliehen werden konnte. Bischöfinnen lassen sich in Inschriften selten nachweisen, auch wenn aus Verboten geschlossen werden muß, daß es Gemeindeleiterinnen gab; zwei Belege bringt E. aus Italien, zudem nennt sie eine sacerdota in Dalmatien. Überdies ist eine für die Gemeinde tätige Ökonomin in Kleinasien greifbar. Die mühevolle Arbeit an den Grabinschriften hat Bekanntes bestätigt und neue Akzente für die weitere Erforschung der Geschichte von Christinnen in neutestamentlicher und altkirchlicher Zeit gesetzt.

Einige Fragen bleiben offen: Müßte nicht eine Untersuchung weiblicher Amtstätigkeit stärker eingebettet werden in die Geschichte der Herausbildung der Theologie und des Rechts des Amtes? Ist die Amtsthematik überhaupt geeignet, die Bedeutung von Frauen in der Christentumsgeschichte sichtbar werden zu lassen? E. fragt deshalb gerade nach christlichen Amtsträgerinnen, weil sie in Methode, Durchführung und Abzweckung ihrer Untersuchung der feministischen Exegese und Kirchengeschichtsschreibung der letzten Jahre verbunden bleibt. Deren Interesse besteht jenseits der historischen Rekonstruktion von Frauengeschichte darin, die gegenwärtige Forderung der Priesterweihe für Frauen durch Rekurs auf die Tradition zu untermauern. Daß dies Verfahren bisher keinen Erfolg hatte, ist evident.

E. zieht aus der Tatsache, daß unzweifelhaft einige Frauen christliche Amtsträgerinnen waren, und daß Amtstitel in männlicher Form auch Frauen beigelegt werden konnten, die Konsequenz, bei jeder Nennung eines Amtstitels in den Quellen anzunehmen, eine Frau könne ihn getragen haben. Deshalb verwendet sie eine inklusive Sprache. Eine solche Sprache kann jedoch verschleiern, daß das Christentum eine patriarchal geprägte Religion ist, die Männern und Frauen zwar gleichermaßen den Himmel verspricht, ihnen auf der Erde aber unterschiedliche Aufgaben zuweist ­ oder zumindest zuwies. Trotzdem haben Christinnen sich immer wieder eingeladen gefühlt, Verantwortung für ihre Kirche zu übernehmen. Daß Frauen einen wichtigen Beitrag in der Geschichte des Christentums geleistet haben, den eine der Vergangenheit gegenüber verantwortungsbewußte Historie nicht verschweigen darf, sollte außer Frage stehen.