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Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

158–160

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Löning, Karl u. Erich Zenger

Titel/Untertitel:

Als Anfang schuf Gott. Biblische Schöpfungstheologien.

Verlag:

Düsseldorf: Patmos 1997. 254 S. kl.8. Kart. DM 34,80. ISBN 3-491-77016-5.

Rezensent:

Horst Seebass

Das für einen breiten Leserkreis vorgesehene Buch ist aus einer gemeinsamen Vorlesung der beiden Autoren im Sommersemester 1996 an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster hervorgegangen und soll die entsprechend gehaltenen Bücher von E. Zenger, "Das erste Testament" und "Am Fuß des Sinai", fortsetzen. Weiß man daher ungefähr, woher der Wind weht, so hat das gewählte Thema jedoch darin seinen Einfluß, daß es allzu steile Thesen zu einem neuen Verstehen von Judentum, Christentum und ihrem Verhältnis zueinander nicht fördert. Der Rez. möchte sich daher mehr zum Detail äußern, wobei die Kompetenz beim Neuen Testament natürlich geringer ist als beim Alten.

Die Einführung (12 f.15 f.) bringt einen Gegensatz zwischen Schöpfungstheologie und Christologie/Soteriologie im Christentum auf, der nicht unkommentiert bleiben kann. Z.weiß natürlich, daß alttestamentliche Schöpfungstheologie sich von der der älteren Nachbarkulturen in der Andersartigkeit ihres Gottes unterscheidet, in Gen 2,1-3 durch den singulären Ruhetag auch noch dokumentiert. Da schlägt also Soteriologie durch. Das alttestamentliche Zeugnis wird theologisch noch nicht sehr lange neu gehört, und solche Entdeckung erfolgt nicht anders als peu à peu. Daher genügte die Erläuterung des Satzes: "Biblischer Schöpfungsglaube und biblischer Erlösungsglaube gehören wie zwei Seiten einer Medaille zusammen" (16).

Der Inhalt ist in vier Abschnitte gegliedert: I. Vorstellungen vom Anfang der Schöpfung (17-79), II. Personifikationen des schöpferischen Anfangs (80-134), III. Die Welt als Schöpfung des barmherzigen Gottes (135-177), IV. Schöpfung, Tora und Gottesherrschaft (178-250), denen ein Ausblick folgt (251-254). Z. bearbeitet Gen 1,1-2,3 mit altorientalischem Hintergrund, den Hiobbeitrag zur Schöpfung, Pss 93 und 104 (17-65), Spr 8 u. Sir 24 (79-89), Gen 1-9 und Ps 19 (135-190) sowie Jes 11,1-10 (230-242); L. Schöpfungsmotive im Rahmen des Mk-Evangeliums (65-78), Joh 1,1-18; 1,19-2,11+20,30 f.; 5 (90-134), "Das Neue Testament- kein Buch der Tora-Weisheit" und Röm 8,18-27 (190-229) sowie Apg 2 (235-250).

Wohlgelungen ist Z.s einführender Beitrag zu Gen 1,1-2,3 (17-40), in dem er u. a. auch altorientalische Traditionen verständlich einzubringen versteht. Als biblische Akzente hebt er hervor: Schöpfung galt nicht als Uranfang aus dem Nichts, sondern als Überwindung von Chaos durch Wohlordnung = Kosmos. Das Chaos ist und bleibt eine ständig gegenwärtige Macht, die Gott nicht nur uranfänglich, sondern in Gegenwart und Eschatologie bändigt. Wird alttestamentlich das Chaos vor allem kosmisch symbolisiert, so heute eher durch die Menschheit, die in Gestalt der Völkerwelt alttestamentlich nicht fehlt. Gott als ständiger Überwinder des Chaos, das Gott selbst alttetamentlich nicht zu bedrohen vermag, wohl aber die Welt: das verlangt die ständige Beziehung Gottes zur Welt. Etwas anders als Z. (35 f.) meine ich, daß Gen 1 nicht die bleibende Macht der chaotischen Finsternis und der Wasser betont, sondern deren Einordnung in den Kosmos, obwohl sie Israel als Mächte bewußt blieben (Seebass, Genesis I, 1995, z. St.). Bedenkenswert ist der gut ausgearbeitete Vorschlag, Schöpfungstheologie als Theodizee zu begreifen, und in diesem Zusammenhang wichtig die Erklärung zum Sinn von Mythen sowie zum Thema Schöpfung bei Hiob (40 ff.; Ps 22 scheint mir ein herausragendes Individuum, nicht jeden Israeliten zu meinen). Ps 93 wird im Grundsatz vorzüglich, S. 51 f. jedoch übertreibend gedeutet (48-52; 50 o. fehlt 1 Z., 52 Z.1 im neuen Abschnitt "in" als 2. Wort): Ps 93 fordert die Zionsgemeinde nicht zum Chaoskampf auf, und Tempel sowie Tempelliturgie sind nicht schöpfungskonstitutiv, sondern -konform: Das ist schon sehr viel. In der Auslegung zu Ps 104 besticht der Hinweis (56), daß Gott nicht nur durch Weisheit schuf/schafft, sondern Weisheit auch dem Kosmos einstiftete, wie dies heute noch mancher Naturwissenschaftler wahrzunehmen bereit ist. Nicht zu vergessen: nach Hi 40 f. (so Z.) gibt es im Geschaffenen Bereiche einer begrenzten Autonomie, die Menschen als von Gott unbewältigt erscheinen, es aber nicht sind, ohne daß Gott das Wie bekanntgäbe.

Unter dem Titel "Die endzeitliche Aufrichtung der Gottesherrschaft als Rettung der Schöpfung" (65-78) gibt L. eine Erläuterung zum Rahmen des Mk-Ev.s. Sie wirkt m. E. am Ort nicht den alttestamentlichen Partien gewachsen, wird aber durch die Erläuterungen zum Joh-Ev eingeholt (s. u.) und so einleuchtend. Interpretationsvoraussetzung ist eine herrschende apokalyptische Weltbeurteilung für Mk.

Charmant ist Z.s Auslegung zu Spr 8 (79-88). Es wäre nur wünschenswert, dazu Erläuterungen zur Rolle der "Weisheit" im Alten Orient und im Alten Testament samt ihrer Gefährdung zu finden. Dies könnte die äußerst anregende Ganzheitssicht aus Spr 8 noch profilieren. Sir 24 wird bereits judaistisch interpretiert (88 f.). Wäre es nicht der Mühe wert, Tora zunächst alttestamentlich zu erfassen? Woran könnte JesSir gedacht haben?

Soweit ich das als Nichtneutestamentler beurteilen kann, ist der folgende Abschnitt von L. "Der Logos als Offenbarer der schöpferischen Herrlichkeit Gottes (Johannesevangelium)" (86-134) einer der Höhepunkte des Buches. Hier sind Schöpfung und Eschaton im joh. Jetzt überzeugend verknüpft. Besonders empfehlenswert sind die Äußerungen zu Joh 1,1-18 und zu Joh 5 als Ganzheit.

Z.s Abschnitt III "Die Welt als Schöpfung des barmherzigen Gottes" (134-177) leidet darunter, daß die Abgrenzung der Urgeschichte auf Gen 1-9 trotz N. C. Baumgart, Das Ende der biblischen Urgeschichte in Gen 9,29, BN 82 (1996) 27-58 (bisher?, s. dessen Habil.Schrift) nicht überzeugt. Es entsteht ein Loblied der P-Darstellung, das mit Recht hervorhebt, Schöpfungserzählung und Sintflut würden zusammen betonen: Der Erhalt der guten Schöpfung Gottes wird durch einen Gottesbund bei sicher einschneidenden, aber begrenzten Maßgaben Gottes vergewissert. Das Ergebnis der Sintflut ist trotz der unmittelbaren Wirkung ein Heilsgeschehen. Die Führung der Tierwelt in Noachs Arche sei die einzig erwähnte Herrschaft von Menschen über Tiere gemäß 1,28 (s. etwa auch Seebass, Genesis I zu 6,23 ff.). Während Z. die Bedeutung der Verben kbs und rdh in 1,28 m. E. zu sehr abschwächt, sind wichtig, a) daß in 1,28 nicht steht "Macht euch die Erde untertan ..." (148; vielmehr Herrschaft ohne Töten), b) daß Unterwerfung der Erde heißt: den Wüsten Lebensraum abzugewinnen (151), und c), daß 1,29 f. (Pflanzennahrung) Gen 1 f. zur Utopie auf Gottes Zukunft hin macht. Unfreiwillig übt Z. 147 Torakritik, weil nur eine Pseudotheologie Frauen vom Priesterdienst ausschließe, was nun gerade die Tora tut - kurzschlüssige Hermeneutik. Ganz bedenklich ist schon rein historisch der Abschnitt "Israel als Offenbarung des barmherzigen Schöpfergottes" (174-177). Als Ausdruck jüdischer Theologie vermag ich das zu respektieren. Für P und das Alte Testament müßte es heißen: Israel als einzigartiger Zeuge und Kultort des Schöpfergottes in der Völkerwelt. Wo bleibt auf S. 177 das für den Pentateuch so konstitutive Element der Verheißung Gottes? Ist sie Tora?

Zu Ps 19 (178-190) gibt Z. fast einen Konsens wieder. Es wäre aber hilfreich, wenn Z. Christen den Sinn für eine Freude an der Tora vermitteln könnte (wie H. J. Kraus in einem seiner ganz frühen Aufsätze). Das alttestamentliche Recht gibt dazu durchaus Anlaß, und Inhalte sind hier nötig, um zu wissen, wovon man redet. S.178 wird behauptet, Spr 8 suche die Tora schöpfungstheologisch zu begreifen. Bekanntlich trifft das nicht zu - Bemerkungen zur "Weisheit" sind nötig (s. o.).

Den Abschnitt "Gottes Schöpfung und die Weisheit Jesu (synopt. Jesustradition)" von L. wage ich nicht zu kommentieren (190-217). Ich nenne nur Anregungen: "Das Neue Testament - kein Buch der Tora-Weisheit", die schönen Gleichnisse aus Mk 4 (z. B. zur selbstwachsenden Saat, zum Senfkorn), das widervernünftige Wort gegen die Sorge (Lilien auf dem Felde, Vögel), die schöpfungstheologische Begründung zur Feindesliebe (Gott läßt seine Sonne scheinen ...). Der Stellenwert dieser Ausführungen für das Ganze ist mir nicht recht klar geworden. Er ist dagegen deutlich beim folgenden Abschnitt zu Röm 8 (217-229). - Dieser herrliche Text findet seine Würdigung. Bei aller Sorge von L. darum, daß Paulus die Tora nicht diffamiere, kam mir die Frage auf, ob Gal 2 noch etwas zu sagen hat: Richte ich den Nomos wieder auf, nachdem er in Christus abgetan ist? Vielleicht fiel die Erklärung nur zu knapp aus.

Schön, daß Z. Jes 11,1-10 an den Schluß gesetzt hat (230-242)! Erfreulich daß er 11,1-8 als Einheit und V. 9.10 als zwei Fortschreibungen liest! Von der Endfassung ausgehend, interpretiert Z. V. 1-8 aus V. 9 f. Besagen diese aber, daß die große eschatologische Friedensvision V. 6-8 in der Neuschöpfung des Gottesvolkes ihren Anfang hat (so O. H.Steck, FS H.-D. Preuß 1992, 104-113)? Das hängt ganz davon ab, wie man den Anschluß an V. 1-8 interpretiert.

Den Abschluß bildet eine Schöpfungstheologie entwickelnde Auslegung zu Apg 2 von L. (243 ff.), die die Bedeutung der Judenchristenheit für das Werden der Christenheit eindrücklich macht. Soweit ich das beurteilen kann, ist das ein sehr würdiger Schluß des Buches. Wäre es aber dann nicht der Mühe wert, auch die Stimme heutiger Judenchristen dem Gehör zu empfehlen, gerade im Geist von Jes 11,6-8?

Alles in allem ist dies ein hilfreiches und empfehlenswertes Buch für den vorgesehenen Leserkreis. Bedauerlich finde ich nur die Anm. 7 auf S. 16 zu einem wissenschaftlichen Beitrag von R. Mosis, weil sie sachlich nichts zum Inhalt des Buches beiträgt und ihre Sache in einen wissenschaftlichen Rahmen gehört.