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Ausgabe:

April/1997

Spalte:

396–398

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schwahn, Barbara

Titel/Untertitel:

Der Ökumenische Arbeitskreis Evangelischer und Katholischer Theologen von 1946 bis 1975.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 427 S. gr.8° = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 74. Kart. DM 128,­. ISBN 3-525-56281-0.

Rezensent:

Günter Gaßmann

Die vorliegende Arbeit wurde 1994 von der Evang.-Theol. Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen. Sie erfüllt in einer exemplarischen und kompetenten Weise die Aufgabe einer Dissertation, indem sie einen noch wenig bekannten oder erforschten Sachverhalt untersucht und darstellt. Es geht um die Geschichte, ökumene- und kirchenpolitische Bedeutung, Arbeitsmethode und vor allem um die theologischen Ergebnisse des "Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen" (ÖAK) von 1946 bis 1975. Diese noch weit im Vorfeld des 2. Vatikanischen Konzils gegründete Arbeitsgemeinschaft eines evangelischen und eines katholischen Arbeitskreises, die zu gemeinsamen Sitzungen zusammenkamen und sich erst 1968 zu einem gemeinsamen Kreis vereinen konnten, hat eine ganz entscheidende Pionierarbeit im Blick auf die Entwicklung ökumenischer Dialogmethoden, die Verbesserung zwischenkirchlicher Beziehungen und der Auffindung von Übereinstimmungen und Konvergenzen in ehemals trennenden Kontroversfragen geleistet.

Diese Arbeit war jedoch wenig bekannt, denn die Gruppe hat in vorökumenischer Zeit (jedenfalls im Blick auf die Röm.-kath. Kirche) unter dem Protektorat von Erzbischof Lorenz Jaeger und Bischof Wilhelm Stählin (darum häufig auch "Jaeger-Stählin-Kreis" genannt) bis in die 60er Jahre hinein noch sehr im Verborgenen und ohne Veröffentlichungen gearbeitet. Erst mit und nach dem 2. Vatikanische Konzil ist dann der ÖAK mit Veröffentlichungen seiner Ergebnisse stärker an die Öffentlichkeit getreten bis hin zum weiterhin viel diskutierten Text der "Lehrverurteilungen ­ kirchentrennend?" (Freiburg/ Göttingen 1986).

Im ersten Kapitel beschreibt die hessische Pfarrerin Barbara Schwahn die Gründung (1946), Zielsetzung, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kreises sowie dessen Verhältnis zu den Kirchenleitungen. Ein besonderer Abschnitt ist den Krisen in der Zusammenarbeit (ausgelöst u. a. durch das Mariendogma von 1950) gewidmet. Abschließend wird die Bedeutung des ÖAK im Zusammenhang mit anderen ökumenischen Initiativen und im Blick auf die Gründung des römischen Einheitssekretariats und das 2. Vatikanische Konzil beschrieben. Statt einer bloßen historischen Beschreibung wird hier aus den Protokollen, Briefen und anderen Aufzeichnungen das Zusammenspiel und die Verflechtung von engagierten Aufbrüchen, Spannungen, Sensibilitäten, Persönlichkeiten (durchgängig z. B. der große Einfluß von E. Schlink), mutigen und vorsichtigen theologischen Einstellungen und personal- und kirchenpolitischen Orientierungen dieses zunächst unter Ausgrenzung der reformierten Tradition angelegten lutherisch-katholischen Pionierunternehmens nachgezeichnet.

Nach dieser hervorragenden Einführung werden im zentralen und darum umfangreichsten zweiten Kapitel die Behandlung der theologischen Themen und die sich dabei abzeichnenden Ergebnisse systematisch dargestellt. Auch hier liegt die zeitliche Begrenzung bei etwa 1975, da zu diesem Zeitpunkt die Vfn. einen Generationswechsel und den Übergang zu einer stärker systematisch geplanten und größere Öffentlichkeit annehmenden Arbeit des ÖAK sieht (und somit Raum läßt für eine weitere Dissertation!).

In einem ersten Themenkreis werden die "Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch im Zusammenhang mit der Erlangung des Heils" und damit die tiefreichenden Kontroversfragen der theologischen Anthropologie, der Gnaden- und Rechtfertigungslehre, der Beteiligung des Menschen an den sakramentalen Handlungen bis hin zur Frage nach der Unsterblichkeit der Seele oder Auferweckung von den Toten behandelt. Im zweiten Themenkreis geht es in einer gewissen Analogie zur ersten um die "Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche im Zusammenhang mit der Heilsvermittlung". Die Unterthemen sind hier das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche, das Wesen und die Eigenschaften der Kirche, die Kirche in ihrer Funktion als Heilsmittlerin durch die Spendung der Sakramente und die Kirche in ihrer Bedeutung und Funktion für die Bewahrung und Weitergabe der apostolischen Tradition.

Die Vfn. stützt ihre Darstellung auf Gesprächsprotokolle, persönliche Aufzeichnungen, vervielfältigte oder später veröffentlichte Referate und zieht dort Veröffentlichungen der Mitglieder ergänzend heran, wo deren Beiträge nur unvollständig oder in Stichworten vorliegen. Häufig mußte das Material mehrerer Tagungen zur Darstellung eines Unterthemas durchgearbeitet werden. Die Vfn. deutet überdies die jeweiligen kontroverstheologischen Ausgangspositionen und theologiegeschichtlichen Zusammenhänge an, weist auf methodologische Entwicklungen hin und beteiligt sich gleichsam selbst am Dialog durch Fragen und Anmerkungen. Sie hebt die für die Mitglieder wohl z. T. selbst überraschenden Übereinstimmungen im ersten Themenbereich, bes. in der Rechtfertigungslehre, und die Klärungen und Konvergenzen im zweiten Themenbereich hervor und zeigt dabei immer wieder, wie die Suche nach Klärung der Differenzen häufig zur Entdeckung der hinter unterschiedlichen Denkstrukturen und Begrifflichkeiten liegenden Übereinstimmungen führte.

Im abschließenden dritten Kapitel werden die in der Arbeit des ÖAK sich abzeichnenden methodischen und konzeptionellen Einsichten zur gegenwärtigen ökumenischen Arbeit und Situation in Beziehung gesetzt. Hier werden dann auch, wie schon gelegentlich vorher, die inhaltlichen Ergebnisse in eine aktuelle Kontroverse eingebracht. Gegenüber einzelnen Punkten der Kritik der Göttinger Fakultät (vgl. Dietz Lange, Hrsg., Überholte Verurteilungen, Göttingen 1991) am Dokument "Lehrverurteilungen ­ kirchentrennend?" (s. o.) wird aufgezeigt, daß die lutherisch-katholischen Übereinstimmungen in der Lehre von der Rechtfertigung in einem sehr viel eingehenderem Maße, als es das Dokument (leider, d. Rez.) selbst erkennen läßt, bereits in der früheren Arbeitsperiode des ÖAK geklärt und neu erkannt worden sind. So lassen sich auch von den Gesprächsergebnissen dieser früheren Periode her die kritischen Einwände als unbegründet zurückweisen.

Da dieses Buch die erste umfassende Darstellung der Geschichte, Arbeitsergebnisse und Bedeutung des ÖAK ist, wäre es hilfreich gewesen, wenn ein kurzer Überblick über die Geschichte und die Themen der Weiterarbeit des Kreises des ÖAK gegeben worden wären. Der Verweis auf Abschn. 5.3 auf S. 47 muß sich wohl zutreffender auf Abschn. 5.4 beziehen. Doch abgesehen von diesen Bemerkungen: Barbara Schwahn legt mit diesem Buch nicht nur das Ergebnis einer enormen Arbeitsleistung vor, sondern auch eine ungemein beeindruckende historische, analytische und systematische Erhellung und Darstellung eines bislang wenig bekannten und doch grundlegenden und wegweisenden Abschnitts deutscher ökumenischer Nachkriegsgeschichte.