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Ausgabe:

April/1997

Spalte:

368–370

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Fischer, Norbert

Titel/Untertitel:

Die philosophische Frage nach Gott. Ein Gang durch ihre Stationen.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 1995. 496 S. 8° = Amateca, Lehrbücher zur kath. Theologie, II. Pp. DM 68,­. ISBN 3-87088-872-5.

Rezensent:

Reinhard Leuze

Das in einer katholischen Lehrbuchreihe erschienene Werk verfolgt ein bescheidenes Ziel: Es will keine philosophische Entfaltung der Gotteslehre bieten, sondern im Grunde nur vorbereitende Überlegungen, die als Hinführung zu einer von der Offenbarung her bestimmten christlichen Explikation des Gottesverständnisses angesehen werden dürfen.

In dieser Aufgabe erblickt der Vf. die genuine Leistung der Philosophie, die nicht beanspruchen darf, im Besitz der Wahrheit zu sein, sondern sich als "Liebe zur Weisheit" in einer ständigen, immer wieder neu zu beginnenden Suche nach ihr befindet (vgl. 18, 26, 149, 394 u. a.).

Trotzdem wird das philosophische Fragen angesichts der geglaubten Offenbarungswahrheit nicht überflüssig: Es findet seine Notwendigkeit in der Konfrontation mit denjenigen, "die positiv oder negativ alles schon zu wissen scheinen" (26). In seinen Ausführungen hat der Vf. allerdings nur die zweite Gruppe im Auge: Er stellt sich nicht die Frage, ob nicht von seiner philosophischen Ausgangsposition aus, die der Unergründlichkeit des Göttlichen gewahr wird, dogmatische Bestimmungen des christlichen Gottesbegriffs bezweifelt werden müssen.

Bei der Lektüre dieses Werkes stellt sich freilich das Problem, ob die ursprüngliche Zielsetzung nicht doch zu bescheiden formuliert wurde, ob der Vf nicht über seine eigentliche Intention hinausgeht.

Der erste Abschnitt "Vorfragen zum Menschen als dem Ort und Träger der Gottesfrage" (37-100) läßt sich noch in den Rahmen dieser Intention einfügen, insofern hier gezeigt werden soll, "daß die Situation des Menschen fordert, in die Transzendenz weisende Fragen zustellen" (80). Schon der zweite Abschnitt (101-167) befaßt sich aber mit der Problematik inhaltlicher Aussagen über das Transzendente, er stellt also nicht nur Fragen, die in ein Unergründliches verweisen, sondern bietet auch Antworten, Fixpunkte einer natürlichen Theologie sozusagen. Hier dringt der Vf. sogar zu einer in nuce vorgetragenen Lehre von den göttlichen Eigenschaften vor (vgl. 120 ff.).

Es wird aber nicht gezeigt, wieso die für das Menschsein des Menschen unabdingbare Bewegung des Transzendierens auf eine Wirklichkeit des Transzendenten zurückgeführt werden muß. Ebenso bleibt uneinsichtig, wieso diese Wirklichkeit des Transzendenten im Sinne des Gottes des monotheistischen Credos verstanden werden soll. Schließlich kann man m. E. aus dem Begriff dieses Gottes zwar die Eigenschaften der Allmacht und der Selbstgenügsamkeit folgern, aber kaum das Prädikat der Allgütigkeit (vgl. 120f.), das ohne die Explikation des christlichen Offenbarungsglaubens eine leere Floskel bleiben muß.

Wir haben mit dieser Kritik etwas vorgegriffen; da sich erst der dritte Abschnitt (169-301) der Frage nach dem Dasein Gottes stellt. Diese auf S. 28 begründete Disposition halte ich für überzeugend. Allerdings geht der Vf. nicht auf die Problematik ein, ob die Existenz eines für uns unfaßbaren Wesens in derselben Weise ausgesagt werden kann wie die Existenz eines Gegenstandes möglicher empirischer Wahrnehmung.

Er versucht aber in anderer Weise, eine Differenzierung denkbarer Argumente für das Dasein Gottes zu erreichen, indem er Gesichtspunkte der Modalität in den Vordergrund seiner Betrachtungen rückt. Demnach muß man fragen, ob die Existenz Gottes angenommen werden kann, darf, soll oder muß (vgl. 182). Der Vf. hält die ersten drei dieser modalen Differenzierungen für zwingend (182 f.), nur bei der vierten gebraucht er vorsichtigere Formulierungen (vgl. 184 und 224). In diesem Sinn ist die Leistung der Gottesbeweise positiv zu würdigen (224).

Schaut man genauer zu, bemerkt man allerdings, daß nicht den Gottesbeweisen der katholischen Tradition eine tragende Bedeutung zukommt, sondern dem moralischen Argument Kants. Dieser Denker avanciert zum eigentlichen Gewährsmann von F.s Darstellung, weil dieser die Meinung vertritt, daß er "zwar die am Wissenschaftsideal von Mathematik und Naturwissenschaft orientierten Demonstrationen für das Dasein Gottes" abgelehnt habe, "nicht jedoch das Argumentieren für die Annehmbarkeit des Gottesglaubens" (223). Die kritische Funktion Kants in der Geschichte der Gottesbeweise wird damit m E. zu wenig akzentuiert. Man könnte sagen, daß der protestantische Philosoph dem katholischen Autor dazu verhilft, eine Nähe zu den von ihm zitierten Bestimmungen des Vaticanum I (231f.) zu gewinnen, die sonst unter neuzeitlichen Bedingungen schwer zu erreichen wäre.

Die weiteren Abschnitte IV und V sind keine konsequente Fortsetzung des bisherigen Gedankenganges; sie berühren verschiedene Themen, die für die Relation von Philosophie und Theologie von Interesse sind.

Der vierte Abschnitt befaßt sich mit dem Verhältnis zwischen dem ’Gott der Philosophen’ und dem lebendigen Gott des Glaubens (303-365). Hier findet sich eine ausführliche Analyse des Denkens von B. Pascal, dessen berühmter Alternative der Verfasser einen "philosophisch verständlichen Sinn" (343) abgewinnen will.

Leider finden sich in diesem Abschnitt Wiederholungen, die bei einer Neu-Auflage eliminiert werden sollten. So ist es wenig sinnvoll, an dieser Stelle nochmals wichtige Gedanken Kants zu referieren (347-353). Zwar versucht der Vf. schon im Vorwort Verständnis für dieses Verfahren zu wecken (15 f.); dennoch meine ich, daß eine komprimiertere Darstellung seinem Buch nur förderlich sein könnte.

Der fünfte Abschnitt stellt "Ansätze zu einem nicht am Ideal der exakten Wissenschaften orientierten philosophischen Gottdenken" vor (367-416) und orientiert sich dabei an Augustin, Cusanus und E. Lévinas. Die Gedanken dieser beiden Autoren vermitteln dem Leser neue Aspekte; er wird aber im unklaren darüber gelassen, was dieser Schluß eigentlich bedeuten soll. Will der Vf. uns mit Modellen bekannt machen, die das angemessene Reden von Gott demonstrieren? Wo haben wir demgegenüber das am Ideal der exakten Wissenschaften orientierte Denken zu sehen? Vielleicht bei Thomas von Aquin? Wie wäre er dann im Gegensatz zu diesen Autoren zu bewerten? Was besagt die vom Vf. hervorgehobene Tatsache, daß Nikolaus v.Kues dem Beweis für das Dasein Gottes nur eine geringe Aufmerksamkeit schenkt (81), für unsere eigene Behandlung der Gottesthematik?

Viele Fragen ließen sich hier noch stellen. Das ändert nichts daran, daß der Vf. eine substantielle Untersuchung vorgelegt hat. Die großen Autoren der abendländischen Tradition kommen ausführlich zu Wort, weil der Autor sich nicht mit einer Kompilation von Sekundärliteratur begnügt, sondern eingehend und detailliert die Quellen befragt. Ob man das Ganze noch als Lehrbuch ansprechen kann, ist mir allerdings fraglich. Um eine Stoffsammlung für Examenszwecke handelt es sich jedenfalls nicht. Es mag aber als Einladung dienen, mit dem einen oder anderen Denker der Vergangenheit ins Gespräch zu kommen, und so erfüllt es eine notwendige, wegweisende Aufgabe.